Varazze

Obwohl ich mir hätte viel Zeit lassen können, blieb ich auf den letzten Zeltplätzen je nur für eine Nacht. Jeder dieser Orte hätte es verdient, dass man mindestens ein bis zwei Wochen bleibt. Dieser Luxus war nun endgültig vorbei, denn mit dem neuen Job, stand natürlich auch das Datum fest, an dem ich mit der Arbeit beginne. Das war in genau 11 Tagen, am 04.10.2022.

Aufgeregt gelassen startete ich den neuen Tag mit einem Frühstück an der Zeltplatzbar, Cafe Amerikano und ein Croissant. Offiziell war heute mein vorletzter Lauftag, denn danach würde ich kurz vor Genua eintreffen. Der Weg strahlte wieder etwas heller als die Tage zu vor, obwohl er nicht schöner war. Dennoch nahm ich die Schönheit wieder war, die Wege am Strand, die Tunnel, die Aussichten, aber auch den krassen Anstieg. Als ich endlich den anstrengenden Kladderadatsch hinter mir hatte, war ich in Varazze. Gleich am Ortsbeginn lag ein Supermarkt, den ich mir auserkoren hatte. Als ich meinen Wagen abschnallte, sah ich ein bepacktes Fahrrad, welches an die Wand des Supermarktes gelehnt war und dachte “Cool, vielleicht wieder eine interessante Begegnung?” Nach der Shoppingtour saß tatsächlich eine junge Frau in typischer Fernreisemanier auf dem Boden und genoss ihr Mahl. Natürlich quatschte ich sie an und es wurde eine spannende Stunde voller Erlebnisse mit Nine aus Deutschland. Varazze erwies sich als sehr langgezogener Ort und der Weg zum Campingplatz als würdiger Endgegner. Völlig außer Puste erreichte ich die Rezeption. “Haben Sie reserviert?” fragte mich die Zeltplatzchefin, um mir augenrollend und verärgert zu erklären, dass man zur Zeit nicht einfach, ohne vorher anzurufen auf dem Zeltplatz erscheinen sollte. Denn momentan haben schon viele Campingplätze geschlossen und trotzdem kommen immer mehr Camper in die Region. Schließlich gab sie mir doch ein schönes Plätzchen, während ankommende Camperfahrer wieder weggeschickt wurden. Mit diesem Wissen und der Aussicht auf eine Großstadt zu zulaufen entschied ich mich, meine Reise zu Fuß auf diesem Platz zu beenden, und den Rest mit dem Zug nach Genua zufahren.

So blieb ich vier Tage auf diesem Platz, bereitete meine Heimreise vor und genoss das Städtchen Varazze. So gab es dort eine prämierte Eisdiele, ein in Italien ausgezeichnetes Eis, das musste ich probieren. Schon es zu bekommen war herausfordernd, denn dort stellte man sich nicht einfach an, nein, wie beim Amt zog man eine Nummer und wartete geduldig bis dein “Bing” ertönte. Ja, es war superlecker, aber ich hatte auch schon an anderen Stellen und Ländern superleckeres Eis gegessen. Dennoch freute ich mich, das probiert zu haben, denn am nächsten Tag war die Eisdiele geschlossen und nicht nur die, auch alle Strandbars und Restaurants, Liegen und Schirme wurden abgebaut. Die Saison war offiziell vorüber und das Mittelmeer bestätigte dies mit riesigen Wellen. Auch das Wetter spielte bei dieser Aktion mit, starker Wind, kräftige Regenschauer und es wurde kälter. Manchmal dachte ich, wie es wohl wäre jetzt weiter zu laufen und da wusste ich, dass ich den leichteren Weg nehme. Über eine App kaufte ich das Flixbusticket mit Zusatzgepäck, dann spähte ich den Bahnhof aus und zog das Zugticket, für 6:50 Uhr morgens, in zwei Tagen, am Ticketautomat. Dann kam ein sehr emotionaler Moment, ich baute meinen Benpacker auseinander. Den Wagen, der diese Reise zu dem gemacht hat, was sie war, eine unvergessliche Zeit! Ohne diesen Wagen hätten wir diesen Weg in keiner Weise so komfortabel gehen können, absolut zuverlässig, ohne große Pannen und Zickereien folgten uns die Wagen auf Schritt und Tritt und trugen dabei unser unnötig vieles Gepäck und das Wasser. Aber vor allem hätten wir ohne die Wagen, nie im Leben, so viele, tolle Menschen kennengelernt. Nun war die Zeit gekommen ihn auseinanderzubauen und in die Tasche zu packen.

Weiterhin versuchte ich so viele Sachen, wie möglich mit der Post heim zu schicken, da ich zum einen im Bus nicht so viel Gedöns mitnehemen kann und zum anderen muss ich das alles tragen, inklusive Waagen. Auf dem Weg zur Post wurde mir klar, wie schwer das Ganze werden wird, früh im Dunkeln die steilen, langen Treppen oder den steilen, kilometerlangen Weg zum Meer und dann noch 3 km zum Bahnhof zu gehen.

In der Postfiliale saßen ca. 10 Leutchens, ich schaute mich um, bemerkte, dass die Leute Nummern in den Händen hielten und entdeckte die Nummerziehmaschiene. Aber das wäre zu einfach, es war ein Computer, natürlich in Italienisch. Eine Frau half mir auf die Sprünge und dann klickte ich mich zur Nummer durch. Stolz diese Hürde genommen zuhaben wartete ich auf meinen Auftritt. “Was möchten Sie?”, “Pakete aufgeben.”, “Da haben Sie die falsche Nummer gezogen, Sie benötigen eine, mit einem ‘P’ zu Beginn.” Der nette Herr zog mir eine neue, richtige Nummer und bediente mich trotzdem weiter. Ich kaufte drei leere Pakete, von denen ich nur zwei benötigte, das dritte wurde anstandslos zurückgenommen. In dieser engen, mit Menschen gefüllten Filiale, breitete ich in einer Ecke meine Sachen aus, befüllte die Pakete und beschriftete die Labels, natürlich in doppelter Auflage. Währenddessen wurden natürlich andere Kunden bedient, also zog ich brav eine neue Nummer, mit ‘P’ vorn dran und wartete, bis ich dran war, um reibungslos, bei den freundlichen Angestellten die Päckchen aufzugeben. 

Erleichtert kaufte ich noch etwas Proviant und ein letztes italienisches Bierchen. 

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