Grenzland

Viel zu schnell verging die schöne Zeit mit Johanna. Ein Highlight war der Besuch auf der Burg Reifferscheid. Ich finde es immer wieder super, wenn man eine so tolle Location für sich hat und noch besser wurde es, da genau an diesem Tag das Burgcafé öffnete. Bei strahlendem Sonnenschein hoch oben im Außenbereich des Burgcafés schlemmte ich ein Stück Apfelkuchen, ein Stück Kirschkuchen und ein Stück Erdbeertorte. Alles frisch gebacken von der Cafébetreiberin. Sie meinte, dass ihr die Erdbeertorte nicht gelungen sei und wollte sie mir nicht geben. Kennt ihr das, so eine total frische Erdbeertorte mit frischen, kalten Erdbeeren und dazu selbst gemachten, richtigen Pudding, und das ganze wird nicht fest, weil es einfach zu frisch ist, und zerfällt dann auch noch zu einem Haufen Glückseligkeit. Frohlockend war mir schlecht von der Völlerei. Nichtsdestotrotz gab es später noch eine super leckere Pizza bei Kapern in Hellenthal.

Dankbarerweise fuhr mich Johanna, soweit sie es offiziell durfte, den Berg hinauf, auf dem es wieder Abschiednehmen hieß. Geduldig setzte sie sich auf eine Bank, genoss den grandiosen Ausblick, während ich meine Sachen auf den Wagen packte und verschnürte. Der Abschied war traurig, aber nicht mehr so schwer, wie beim letzten mal. Denn wir hatten viel geredet und wir waren uns klarer, was wird.

Auch wenn es nur noch die Hälfte des Berges war, so war es doch ein ganz schön steiler Anstieg zum Beginn. Auf guten Wegen ging es durch schönste Natur. Bei meiner Rast unterhielt ich mich mit einem Radfahrerpärchen, die mir unter anderem vom RaVel-Radweg erzählten, dass dieser durch Belgien führt und gut ausgebaut ist.

Weiter ging‘s in dieser herrlichen Gegend. Meine Fantasy malte sich blühend aus, welche Selfies ich an der Grenze zu Belgien schießen würde. Ich folgte der Route, bis ich vor einer schmalen Holztreppe stand, welche durch einen unter Naturschutz stehenden Sumpf mit Narzissenwiese führte. “Schön!” staunte ich und “Hmmm?” dachte ich. “Mit dem Wagen gehe ich hier nicht durch.” Also lief ich und lief und lief und musste laut Karte auch schon in Belgien sein. Nur eine Grenze hatte ich nicht gesehen. Auf der einen Seite voll cool, da ich Grenzen nicht mag, auf der anderen Seite keine Selfies, mein erster Grenzübertritt total unspektakulär. Aber so war es eben, bergauf, bergab, ein paar Wanderer, Sümpfe, Narzissen und unglaublich viele Bäume. Dieses mal wollte ich clever sein und suchte mir schon eine Stunde früher einen Schlafplatz. Ich baute mein Tarp auf, schob meinen Bivy darunter und befüllte ihn mit den Schlafsäcken. Dann pflanzte ich mich dekadent in den Stuhl und genoss den Moment bis die Sonne untergeht. Aber irgendwie schien mir dieser Moment beunruhigend lang. Mit Johannas Anruf klärte sich auch das auf. In der Nacht wurden die Uhren auf Sommerzeit umgestellt, dann dämmerte es, auch bei mir.

Die Nacht im Bivy verlief suboptimal. Bereits das sanfte Hineingleiten in das kuschlige Nachtlager erwies sich als zirkusreife Artistennummer, denn ich hatte das Tarp viel zu tief aufgebaut, was den Einstieg unnötig erschwerte und zusätzlich für Beklemmungen im ohnehin schon engen Bivy sorgte. Nachts wachte ich öfters auf, weil alles so eng war und Teile des Bivys ständig auf meinem Gesicht lagen. Ab und zu streckte ich nachts meinen Kopf aus dem Bivy und schob das Tarp weg, um mit einem tiefen Zug eiskalter Nachtluft der Beklemmung zu entfliehen. Dabei öffnete ich die Augen und sah einen phänomenalen Sternenhimmel zwischen den schwarzen Silhouetten der riesigen Nadelbäume.

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