Abkürzung

Das Zelt, ließ ich, so lange es ging stehen, dennoch war es noch nicht vollkommen trocken. Ich ärgerte mich über mich selbst, weil ich wieder mal nicht aus dem Knick kam. Ich kann nicht beschreiben, wobei ich die ganze Zeit verliere, aber plötzlich schau ich auf die Uhr, und diese zeigt, ohne mit der Wimper zu zucken, dass es bereits nach 10:00 Uhr ist. Ich wäre aber lieber gerne vor 10:00 Uhr gestartet, so wurde es 10:30 Uhr. Was nicht ganz unerheblich ist, denn es lagen 31 km vor uns. Hinzu kommen gewisse Tage im Leben einer Frau, die es nicht einfacher machen. Na ja, sagen wir mal, die Laune war leicht bewölkt und das dass Wetterorakel eine 20%-ige Regenwahrscheinlichkeit herumunkte, trug auch nicht zur Aufheiterung bei. Das Laufen viel schwer, aber sie kämpfte und ging Schritt für Schritt tapfer voran. Bei 30 km ist Schritt für Schritt ‘ne Menge Holz. Ich suchte in meiner App den Weg ab, ob es irgendwie kürzer geht und siehe da, ca. 15 km vor Ankunft in Heuilley gab es einen Weg, welcher den umherschweifenden Radweg um 3 km verkürzte. Das Problem dabei sieht man schon auf der Karte, nur weiß man nicht wirklich, wie die Realität aussieht. Unser gewählter Radweg ist ein befestigter Weg und wird so in den Karten dargestellt. Die Abkürzung war eine gestrichelte Linie, also unbefestigt und dazu gab, bzw. sollte es auf dieser Strecke eine Brücke geben. Ich informierte Johanna erst kurz vor Ankunft an der möglichen Abkürzung darüber, um keine falsche Hoffnung zu schüren und sie bei der Wegwahl mit einzubeziehen. 

Ich ging die mögliche Abkürzung ein paar Meter allein, während Johanna ein Päuschen machte. Der Weg begann befestigt, wurde dann schnell zu einem Wiesenweg, der aber okay war. In einem Garten störte ich zwei Menschlein beim Zeitunglesen und fragte sie, ob der weg gut und die Brücke vorhanden sei. Beides wurde bejaht und so zogen wir voller Optimismus und Freude unsere Gepäckwagen über den Wiesenweg. Dieser ließ dann den Weg weg und wurde zur Wiese, nach ca 2,5 km Wiese kam der Weg wieder, ließ die Wiese zurück und begab sich in einen Wald, wo er die restlichen 6 km blieb, aber sich die unterschiedlichsten Formen ausdachte, mal wellig längs, mal wellig quer, mal eng, dann wieder sehr eng, steinig, wurzelig, matschig, hoch und runter, naja und so fragten wir uns, was wohl anstrengender sei 12 km befestigter Weg oder 9 km Vietkong. Natürlich kippte auch von jedem Mal der Wagen um, ein anderes Mal die Stimmung. Ich würde sagen “Das war geil, das sind Abenteur.” Aber da es meiner Frau nicht gut ging, war es für sie ein harter Kampf, den sie schlussendlich super meisterte. Mein absoluter Respekt!

Wir erreichten das Festland, bzw. die befestigte Straße und gingen die letzten drei Kilometer nach und durch Heuilley. Auf dem Zeltplatz angekommen, wussten wir erstmal nicht so recht, was wir tun sollten, denn eine Rezeption gab es nicht, in weiter Ferner sah man ein paar Wohnanhänger und dazwischen lagen Wiese mit Hecken. Nur ein Wohnanhänger mit Vorzelt stand in unserer Nähe. Drei ältere Männer saßen um einem Tisch, auf dem drei große Flaschen hartes Zeug standen, in die sie auch schon kräftig reingeleuchtet hatten. Es sah aus, wie ein ganz normaler Bauarbeiterfeierabend. Ich ging zu ihnen und fragte, ob es hier eine Rezeption gäbe. Einer der Männer machte mir begreiflich, dass er sich darum kümmert. Kurz darauf sauste er mit einem Elektrotretroller davon und kam kurze Zeit später wieder. Er sagte wir können unser Zelt aufschlagen, wo wir wollen, und des kommt noch jemand vorbei. Es sind echt tolle Übungen für mich, um Vertrauen in fremde Menschen zu bekommen. Wir hatten gerade unser Zelt aufgebaut, da kam ein kleines Auto, aus dem eine sehr freundliche Dame ausstieg, 15,- € kassierte, uns alles erklärte und wieder verschwand. Einfach und unkompliziert, so wie der Zeltplatz. Dazu muss ich noch sagen, es war der städtische Zeltplatz und ich finde es richtig super, dass es diese gibt. Und nicht jede Stadt kann sich eben eine eigene Rezeption leisten und wird erfinderisch – herzlichen Dank an alle “Aire de Camping municipal”! 

Es geht nicht immer ums große Geldverdienen, hier geht es vor allem um Gastfreundlichkeit!

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